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Brexit: Virgin Money verschärft Bonitätskriterien für Kreditkartenkunden
Veröffentlicht am 3. November 2016 - Redakteur: Oliver Polenz

Brexit: Virgin Money verschärft Bonitätskriterien für Kreditkartenkunden

Befürchtungen, dass die Entscheidung für den Brexit in Großbritannien zu negativen wirtschaftlichen Folgen führen könnten, haben Virgin Money dazu veranlasst, in Anbetracht des dramatischen Anstiegs der Verschuldung von Privathaushalten die Bonitätskriterien für die Vergabe von Kreditkarten zu verschärfen.
 

Brexit erschüttert Vertrauen in britische Wirtschaft

Hintergrund ist eine Bilanzanalyse des Unternehmens, die einen großen Anstieg bei der Verschuldung ihrer Kunden nachweist. Demnach haben sich alleine in diesem Jahr bis Ende September bereits Schulden in einer Höhe von 2,2 Milliarden Pfund angehäuft.

Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2015 betrug die Summe lediglich 1,6 Milliarden Pfund. Das entspricht einer Steigerung von rund 41 Prozent. In der Folge entschied Virgin Money, die Bewertungskriterien für Kreditrahmen und Bonität bei der Stellung neuer Kartenanträge stark zu verschärfen. Damit will die Bank eigenen Angaben zufolge die Kreditwürdigkeit neuer Kreditnehmer sicherstellen.

Ausdrücklich verwies Virgin Money in diesem Zusammenhang auf das EU-Referendum zum Brexit, das im Juni abgehalten wurde. Eine knappe Mehrheit der Briten stimmte damals für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Noch ist unklar, wie genau sich das auf die britische Wirtschaft auswirken wird, doch bereits jetzt gibt es gerade am Finanzplatz London Verschiebungen im Finanzgefüge.

Einige ausländische Investoren sehen keine Zukunft mehr an einem europäischen Finanzplatz, der nicht mehr innerhalb der EU liegt. Frankfurt am Main gilt als eine der Städte, die möglicherweise von dieser Entwicklung profitieren könnten.

Die Verschärfung der Bonitätskriterien durch Virgin Money ist jedenfalls definitiv von der Brexit-Entscheidung beeinflusst, obwohl die Bank unterstreicht, dass sie durch das Votum eigentlich keinen substantiellen negativen Effekt auf ihre Geschäfte erwartet.

Niedrige Zinsen macht Sparen europaweit unattraktiv

Der Anstieg der Schulden unter den Virgin Money Kunden im Speziellen und der britischen Bevölkerung insgesamt kann nach Ansicht vieler Finanzexperten auf die geringen Erträge auf Sparkonten zurückzuführen sein.

Tatsächlich hat die Niedrigzinspolitik in vielen europäischen Ländern dazu geführt, dass die Sparquote zurückgegangen ist. Die Bank von England verfolgt eine ähnliche Zinspolitik wie die Europäische Zentralbank und hat ihren Zinssatz auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt (Stand: August 2016). Dies war unter anderem auch der wirtschaftlichen Ungewissheit nach dem Brexit-Votum geschuldet.

Da es auf den traditionell eigentlich sehr beliebten Sparbüchern kaum noch Zinsen gibt, müssen die Kunden tatsächlich sogar einen Verlust hinnehmen, da die Zinsgewinne nicht einmal mehr die Inflationsrate ausgleichen können. So gesehen verringert sich das Vermögen von Sparern immer weiter.

Kunden geben ihr Geld lieber aus – manchmal auch mehr als das

Kein Wunder, dass viele Verbraucher daher lieber ihr Geld in Sachwerte investieren und sich ein neues Auto, Immobilien oder auch Alltagsgegenstände wie hochwertige Smartphones, Unterhaltungselektronik und ähnliche Dinge kaufen. Profitieren kann davon der Einzelhandel.

Vom Verbrauchen des eigenen Sparguthabens zum Aufnehmen von Krediten zur Finanzierung größerer Anschaffungen ist es ein kleiner Schritt, zumal die Zinsen für Ratenkredite ebenfalls gesunken sind. Letzteres gilt nicht unbedingt für Kreditkarten, denn die meisten Banken erheben hohe Zinsen auf Kreditkartenschulden.

Aber die einfache Verfügbarkeit teilweise großer Kreditlimits macht manchen Kunden weniger umsichtig bei größeren Ausgaben. Die Kreditkarte ist dann schnell gezückt. Hinzu kommt, dass viele Kreditkartenunternehmen ihre Kunden mit Bonusmeilen und anderen Prämien locken, die einen Kauf per Kreditkarte noch attraktiver machen. Virgin Money sieht aber keinen Anlass zu übertriebener Sorge.

Tatsächlich müsse man auch berücksichtigen, dass durch das erfreuliche Wachstum der britischen Bank auch mehr Kunden mit Kreditkarten hinzugekommen seien, was einen Teil des Schuldenzuwachses erklärt.

Das Unternehmen ist mit seinen Wachstumsraten jedenfalls sehr zufrieden und geht davon aus, dass die verhältnismäßig starke britische Wirtschaft allen Beteiligten Mut machen solle, wenngleich ein umsichtiges Handeln im Hinblick auf die zum Teil ungewisse Zukunft angeraten sei. Für das Jahr 2017 zeigt sich die Bank optimistisch und erwartet dann zweistellige Ertragsraten auf ihr Eigenkapital.

Bildnachweis: Thinkstock / johnkellerman