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Stirbt die Kreditkarte bald aus? – Fragen und Antworten zur neuen Richtlinie der EU
Veröffentlicht am 13. Oktober 2017 - Redakteur: Oliver Polenz

Stirbt die Kreditkarte bald aus? – Fragen und Antworten zur neuen Richtlinie der EU

Das Bezahlen im Internet wird heute zum größten Teil über Kreditkarten abgewickelt. Viele Kunden beschaffen sich sogar extra eine Kreditkarte, um bestimmte Angebote überhaupt nutzen zu können.

Während in den USA fast jeder Haushalt mindestens eine oder mehrere Kreditkarten nutzt, war es in Europa und besonders in Deutschland eher eine Domäne von Besserverdienenden, dieses bargeldlose Zahlungsmittel zu nutzen. Die Online-Angebote haben dies geändert.

Ob Pizzabestellung per App, Leistungen im Appstore, Streamingdienste wie Netflix oder der Versandhandel bei Amazon – besonders beim Kauf im Ausland gibt es häufig nur die Möglichkeit, per Kreditkarte zu bezahlen.

Eine neue Richtlinie der Europäischen Union könnte dies nun fundamental ändern, prophezeien manche E-Commerce-Experten. Sie sagen sogar das baldige Ende der Kreditkarte voraus.

Einfacher und günstiger Zahlungsverkehr ohne Kreditkarte

Die Richtlinie PSD2 soll den Online-Zahlungsverkehr vereinfachen und sicherer machen. Außerdem soll der Wettbewerb gefördert werden. Ab 2018 soll die Richtlinie auch in Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden. Die sogenannte Payment Service Directive soll das Monopol der Banken beim Zugriff auf Kontodaten aufbrechen.

Der Zugriff auf diese Daten ist deswegen so lukrativ für die Banken, weil er Rückschlüsse auf die Bonität und den Finanzbedarf von Kunden zulässt und somit die Zielgruppenbestimmung für die Bewerbung von Finanzdienstleistungen wie Krediten erleichtert.

Mit der PSD2 sollen Banken künftig auch Drittanbietern Zugriff auf die Kontodaten geben müssen. Die Banken sind von dieser Richtlinie entsprechend wenig angetan. Online-Händler wie Amazon finden die Neuregelung hingegen toll, denn mit eigenen Bezahlsystemen könnten sie die Nutzung von Kreditkarten oder den Lastschrifteinzug bald überflüssig machen.

Gerade die Bezahlung mit Kreditkarte ist für die Händler mit Gebühren verbunden, die sie gerne einsparen würden. Gleichzeitig sollen die Kunden aber weiterhin bequem und unkompliziert online bezahlen können.

Ist der Tod der Kreditkarte beschlossene Sache?

Der große Vorteil der neuen Regelung ist, dass Unternehmen nicht länger auf die Banken angewiesen sind, um den Zahlungsverkehr mit den Kunden abzuwickeln. Da die Banken vor allem über die Kreditkarten am Onlinegeschäft partizipieren, könnte dies die Stellung der Geldhäuser weiter gefährden, zumal in Zeiten der Niedrigzinsen die Kreditkartengebühren zu den wenigen aktuell noch lukrativen Einnahmequellen unter den Finanzprodukten zählen.

Wenn die Kunden künftig komfortabler und kostengünstiger online bezahlen können, könnte die Kreditkarte mittelfristig sogar überflüssig werden, glauben einige Experten. Speziell Branchenriesen wie Amazon, über die ein großer Teil des Onlinehandels abgewickelt wird, könnten hierbei den Ausschlag geben. Allerdings zahlen gerade in Deutschland viele Amazon-Kunden noch immer über den üblichen Bankeinzug und nicht per Kreditkarte.

Ob die Auswirkungen der PSD2 also wirklich so durchschlagend sein werden, ist fraglich. Generell stimmt es, dass Onlinehändler und andere Anbieter von Dienstleistungen im Internet den Zahlungsverkehr künftig unabhängig von Banken und Kreditkarten abwickeln können. Das gilt übrigens in gleichem Maße für Bezahldienste wie PayPal, die heute oft als Alternative zu Lastschrift oder Kreditkarte genutzt werden.

Auch für diese Dienste könnte es schwierig werden, ihre Marktanteile zu verteidigen. Sollte sich die Marktlage grundlegend durch die PSD2 ändern, könnte das dem Plastikgeld natürlich schaden. Ob dies automatisch für Märkte wie Deutschland gilt, wo die Kreditkarte ohnehin ein Nischendasein führt, bleibt jedoch abzuwarten.

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